St. Michaelis Lüneburg

Bach

Beginnend mit dem Frühjahr 1700 lebte Johann Sebastian Bach zwei Jahre lang als Schüler der Partikularschule des Michaelisklosters in Lüneburg. Auch wenn wir nur wenig über diese Zeit wissen, kann man davon ausgehen, dass er in der Zeit an St. Michaelis zahlreiche Anregungen erhielt, die für seine spätere Entwicklung von großer Bedeutung waren.

Bach war bereits im Alter von neun Jahren Vollwaise geworden. Die Erziehung übernahm daraufhin sein älterer Bruder Johann Christoph in Ohrdruf. Am dortigen Lyzeum erhielt der Knabe auf Grund eines Stipendiums eine schulische Ausbildung. Nach dem unerwarteten Verlust dieses Stipendiums entschlossen der jugendliche Bach, der im März des Jahres 1700 fünfzehn Jahre alt wurde, und sein Freund Georg Erdmann, ihre Schulausbildung in Lüneburg fortzusetzen. Bach schloss im Frühjahr 1702 diese Ausbildung erfolgreich ab.

Obwohl Bach nur zwei Jahre in Lüneburg gelebt hat, kommt dieser Zeit aus verschiedenen Gründen eine besondere Bedeutung zu:

  • Die Zeit in Lüneburg war für Bach der einzige längere „Auslandsaufenthalt“ in seinem Leben außerhalb der Region Thüringen und Sachsen.
  • Er erhielt in der benachbarten Kirche St. Johannis Unterricht bei Georg Böhm, der zu den wichtigsten Organisten im norddeutschen Raum gerechnet werden kann.
  • Er lernte mehrere norddeutsche Kirchen mit ihren großen Orgeln und ihrer musikalisch anspruchsvollen Gottesdienstgestaltung kennen.
  • Mindestens eine Fußwanderung nach Hamburg ist belegt. Dort hat der berühmte Organist Johann Adam Reincken an St. Katharinen einen tiefen Eindruck auf den jungen Bach gemacht.
  • Er kam in Kontakt mit der Ritterakademie an St. Michaelis, einer Schule für Adlige, deren schulische Leistungen zwar oft hinter denen der bürgerlichen Lateinschule, an der Bach lernte, zurückblieben, die aber dafür regelmäßigen Unterricht in den höfischen Disziplinen Reiten, Fechten und Tanzen erhielten. In diesem Zusammenhang lernte er die französische Hofmusik kennen, die der Landesfürst direkt aus Paris importierte. An der Ritterakademie wurden regelmäßig französische Schauspiele und Singspiele abgehalten.
  • An der Michaelisschule befand sich damals eine der größten Chorbibliotheken Deutschlands. Hier konnte er die besten und modernsten deutschen und italienischen Meister kennenlernen.
  • Während seines Aufenthaltes wurde eine Chororgel für St. Michaelis gebaut. Hier knüpfte er Kontakt zu Balthasar Held, einem engen Mitarbeiter des berühmten Orgelbauers Arp Schnitger.

Der Aufenthalt Bachs in Lüneburg dokumentiert die musikalische Bedeutung der Stadt. Die Latein- oder Partikularschule St. Michaelis, an der er lernte, blickte schon damals auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurück. Die Schüler hatten kostenlosen Unterricht, was sonst keineswegs selbstverständlich war. Wenn sie von außerhalb kamen, konnten sie sich sogar um einen „Freitisch“, also um freie Kost und Logis, bewerben. Als Vollwaise aus einer Musikerfamilie war es für den 15-jährigen Bach ein Glücksfall, eine Schule zu finden, deren Zöglinge – wie es in einer alten Akte heißt – „armer Leute Kinder sein mussten, so nichts zu leben aber gute Stimmen zum Diskant hatten, damit sie der Kirche dienlich wären.“ Die Schüler verdienten also ihre Vergünstigungen, indem sie die täglichen Gottesdienste musikalisch gestalteten.

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